Street Astronomy
Hobby
Dez 2024
Ein Hobby-Abenteuer: Von der ersten Teleskop-Erfahrung zur Straßenastronomie
Auch im Winter 2021/22, dem zweiten Corona-Winter, galten Abstandsregeln einzuhalten und somit passierte auf sozialer Ebene im »Meat-Space« nicht viel. Es war wieder einmal Zeit für Solo-Hobbies, also legte sich meinereiner ein Teleskop zu: nach langwieriger Recherche, die teils mehr Fragen als Erklärungen aufwarf, welches denn nun ein gutes Gerät für komplette Noobs sei, hatte ich mich entschieden: mein erstes Reflekor-Teleskop nach Newton'scher Bauweise sollte es sein.
Die erste Hürde war schon bald genommen: der Aufbau der Montierung – penibel nach der Anleitung im Handbuch.
Hauptspiegel - Fangspiegel - Okulare - Barlow-Linse
Gefühlt musste erstmal die halbe Wikipedia zum Thema Optik durchgearbeitet werden. Welche Beobachtungsgrenzen gibt eigentlich die Größe der Tubusöffnung vor? Welche die Brennweite des Hauptspiegels? Wie lichtstark muss das beobachtete Objekt sein? Was ist ein Plössl- und was ein Kellner-Okular? Was bedeuten ihre Brennweiten? Was sind chromatische und achromatische Refraktoren? Und was tut eigentlich eine Barlow-Linse?
In der nächsten Nacht probierte ich einfach mal ein Setup aus, richtete mein neues Spielzeug auf den Nachthimmel über Berlin und sah – Nichts.
Erst ein zweiter Blick bei nächstem Tageslicht zeigte: ich hatte ein falsches Okular mit viel zu kleiner Brennweite genommen und der Fokus war völlig falsch eingestellt.
Immerhin konnte ich nun bei Tag die Ziegel eines ca. 100m enfernten Schornsteins einigemaßen zufriedenstellend fokussieren (auch wenn das Bild noch etwas unscharf war). Yay.
Was will ich eigentlich?
Unterschiedliche Teleskoptypen, Größen, und Okulare eignen sich auch nur für unterschiedliche Arten der Beobachtung. Der Reflektor dieser Größe – 150mm Tubusöffnung und 1400mm Brennweite – sollte ein guter Kompromiss zwischen Deep-Sky-Beobachtungen wie Sternenhaufen, Galaxien und Nebel, sowie Planeten- und Mondbeobachtungen sein.
Luna zeigt sich
Selbst am Tag ist der Erdenmond manchmal gut zu sehen. Wie sich zeigte, funktioniert sogar das Fotografieren mithilfe der Phone-Kamera direkt durch das 35mm-Okular.
Ein paar wenige Tage/Nächte später gelangen mir alsdann auch die ersten Handy-Fotos bei Nacht. Wie sich zeigte, war mein Sucher auch nicht korrekt justiert, so hatte ich zuvor am dunklen Nachthimmel nichts anpeilen können.
Aber die Handhabung mit dem Phone am Okular entpuppte sich als sehr unpräzise und unpraktisch, da es schwer ist, Okular- und Kamerafokus auf einer gemeinsamen Sichtachse zu halten. Außerdem ist die Sensitivität des Foto-Chips kaum zu kontrollieren, ebensowenig die Belichtungszeit. Schnell hatte ich mir eine preisgünstige Okular-Kamera mit USB-Anschluss besorgt und wartete nun voller Spannung auf die nächste klare Mondnacht.
Ein Anvisieren der Venus war mir zwischenzeitig zwar gelungen, aber ich sah durch mein Teleskop leider nur einen wabernden Flatschen
. Zwar sollten laut meiner Recherche eigentlich Planetenbeobachtungen mit der Ausüstung möglich sein, ich schob mein unbrauchbares Beobachtungsergebnis aber auf das schlechte »Seeing« über dem hell beleuchteten Berlin (erst später wurde mir von hilfsbereiten und fachkundigen Leuten erklärt, was ich falsch mache, dazu später im Artikel mehr).
Hier mein erster verschwommener Blick auf die Venus : /
Mehr Mondfotos
Mit der Okular-Kamera lassen sich qualiativ viel bessere Fotos aufnehmen und das Fotografieren selbst gestaltet sich dank USB bequemer: man wählt einfach am Computer live den Ausschnitt, lässt sequentiell zig Bilder schießen und behält nur die besten. Nachteil: nun muss immer ein Laptop mitgeführt werden. Und da die Bilder im RAW-16-Format vorliegen, ist die Festplatte schnell voll.
Außerdem wird die Kamera anstelle des Okulars direkt in den Hauptfokus des Fernrohres eingesetzt, ich bin also auf eine fixe Vergrößerung festgelegt.
Oder bin ich?
Die Verwendung von Barlow-Linsen
Erst zwei Jahre später habe ich den Sinn von Barlow-Linsen verstanden. Sie werden vor dem Okular eingesetzt und können auch mit der Kamera kombiniert werden. Ihr Zweck ist es, das fokussierte Lichtbündel noch vor dem Auge (oder Kamera) wieder weiter aufzuspalten, also den finalen Fokus-Punkt weiter vom Okular weg zu verschieben. Das Resultat ist eine scheinbare Vergrößerung des Bildes. Doch tatsächlich wird nur ein Bildausschnitt in den Fokus gesetzt, was mit einer Verringerung der Lichtintensität einhergeht: es werden mehr Details sichtbar auf Kosten von Helligkeit bzw. Belichtungszeit. Zudem verstärken sich dadurch Verzerrungs-Artefakte der Spiegel und Linsen.
Der Mond ist hell genug, dass auch mit Barlow genug Licht für Fotos einfällt:
Doch was ist mit Planeten?
Bereits 200 Jahre vor meiner Zeit hatte Caroline Herschel mit einem Fernrohr des gleichen Typs zahlreiche Kometen entdeckt. Charles Messier hatte mit seinem Reflektor nochmal 100 Jahre zuvor schon Nebel und sternhaufen beobachtet. Und nochmal 100 Jahre davor hatte Galilei doch nur ein popeliges Linsen-Fernrohr, mit dem er bereits Jupiter und dessen Monde sehen konnte.
Wie kann es sein, dass ich nichts davon sehe?
»Hello, we are Street Astronomers«
Wer hätte gedacht, mal mit mehreren Starkbieren intus einen ersten Blick auf Saturns Ringe werfen zu können? Während der Berlin-Beer-Week 2024 lernte ich in einem Biergarten mitten im Stadtzentrum Bill und Avinash kennen. Die beiden hatten ihr Hobby-Teleskop, einen kompakter Refraktor, mitten am belebten Eingang aufgestellt.
»Hi, we are Street Astronomers. Would you like to see Saturn?« fragen sie. Und tatsächlich: der Blick durch das Okular offenbarte mir das erste mal die Sicht auf einen wunderschönen, klar zu erkennenden Saturn. Selbst die Ringe waren klar sehen. Wahnsinn.
Ich erzählte von meinen gescheiterten Versuchen der Venusbeobachtung, und wir tauschten Nummern und Instagram-Namen aus.
In der kommenden Woche darauf sollte ein Workshop zum Thema Himmelsbeobachtung und eine Einführung in die Benutzung von Dobson-Teleskopen stattfinden – und ich würde definitiv dabei sein.
Das erste mal Dobsonian
Bekannt für ihre Größe und einfache Handhabung sind Dobson-Teleskope: einfachste Spiegelteleskope – die Halterungen zum Teil aus Holz und Pappe gebaut – mit einer simplen »azimuthalen« Montierung. Sehen aus wie Kanonen auf einem Sockel, und benötigen kein kompliziertes (und meist teures) Stativ. Der Nachteil: sie eignen sich nicht für Langzeitbelichtungen, da sie nicht korrekt mit der Erdrotation mitgeführt werden können. Der Vorteil: sie sind groß und fangen viel Licht ein.
Die Details des Workshops habe ich in einem PDF zusammengefasst, es wäre zu viel für diesen Artikel.
Hier geht's zum PDF: Dobson Telescope Howto.
Wer sich der Street Astronomy anschließen möchte, kann sie hier auf Instagram oder auf ihrer Webseite finden:
»Collimate your main reflector«
Grundgedanke der »Street Astronomers« ist es, Astronomie den Leuten auf der Straße zugänglich zu machen und Basiswissen zu vermitteln. Warum soll ein Teleskop 360 Tage im Jahr nur herumstehen, wenn es doch einfach regelmäßig auf der Straße genutzt werden und so Leute erfreuen könnte?
Eine meiner Fragen konnte ich hier auch endlich den richtigen Leuten stellen: warum kann ich keine Planeten sehen? Ein Klaus nahm sich meiner Sache an – seinerseits passionierter Teleskop-Bauer – und das Problem war schnell erkannt: mein Hauptspiegel ist nicht korrekt ausgerichtet.
Gleich am nächsten Tag machte ich mich an die »Kollimation« des selbigen und wartete nun gespannt auf die nächste sternklare Nacht. Saturn stand immer noch hoch genug am Himmel.
Light pollution
Die Street Astronomers treffen sich regelmäßig, unter anderem nachts am Potsdamer Platz. Die Lichtverhältnisse sind hier bescheiden, aber es gibt viel interessiertes Publikum. Und der Platz ist zudem ein guter Ort, um auf die allseits zunehmende »Lichtverschmutzung« hinzuweisen, die auch im wissenschaftlich-professionellen Umfeld Himmelsbeobachtungen immer schwerer macht.
Erste Fotos von Saturn
Die nächste klare Nacht kam und Saturn zeigte sich bald gegen Mitternacht am süd-östlichen Himmel. Also hieß es: raus auf die Straße!
Nebenbei ist es total faszinierend, mit dem Teleskop und Equipment interessierte Blicke auf sich zu ziehen. Auf Rückfrage wollen die meisten dann auch tatsächlich mehr erfahren und lassen sich schnell begeistern ❤️
Leider entpuppte sich der Sensor meiner günstigen Okular-Kamera als zu schwach für Saturn-Fotos: gute Bilder waren mit diesem Setup nicht möglich. Die Phone-Kamera hingegen konnte zumindest etwas einfangen, was zwar nicht sehr detailreich und zudem leider überbelichtet und farbverzerrt war – aber himmerhin etwas.
Hier also meine ersten (qualitativ noch sehr schlechten) Saturn-Fotos:
Mittlerweile ist Saturn (Stand Dezember 2024) von der Nordhalbkugel aus nicht mehr sichtbar und hinter dem Horizont verschwunden.
Exit Saturn, Enter Jupiter & Mars
Der früh am Abend im Osten aufsteigende Jupiter war zuletzt gut von meinem Küchenfenster aus zu erspähen. Perfekt, um bequem vom Küchentisch ein paar Schnappschüsse zu machen. Leider bin ich beim Thema Planeten-Fotografie noch nicht weiter, also sind auch diese wieder stark überbelichtet und farbverzerrt – trotz erstmaliger Verwendung einer »Stacking-Software«.
Aber es sind gut die vier inneren Monde zu erkennen: es müssten Kallisto, Ganimed, Io und Europa sein.
Sternwarten in Berlin entdecken
Das Archenold-Observatorium mit dem längsten Linsen-Fernrohr der Welt und das Zeiss-Großplanetarium stellen in Berlin wahrscheinlich die bekanntesten Anlaufpunkte für Astronomie-Begeisterte dar. Aber es finden sich auch kleine Juwelen, die sich in Clubhänden befinden (neben dem Dobson-Teleskop auf dem Berliner Holzmarkt).
Durch Zufall entdeckte ich bei einer Wanderung hinter Spandau die »Bruno H. Bürgel Sternwarte« (hier geht's zur Webseite).
Sie wird von einem privaten Verein betrieben und bietet neben Himmelsbeobachtungen auch regelmäßige Voträge an. Der Vortrag über Planeten-Fotografie von Jörg Tomczak gab einen guten Überblick zum Thema, Grundwissen zum Equipment, Infos über optische und technische Grenzen, Tipps für Software und zur Arbeitsweise beim »Stacken«.
Wer sich für meine Mitschrift interessiert, kann sie hier als PDF downloaden.
Aktueller Stand
Die nächsten geplanten Schritte sind:
- mehr Licht einfangen mit einem größeren Tubus.
- Eine Kamera mit sensiblerem Foto-Chip organisieren. Eventuell eine alte DSLR als Okular-Kamera ausprobieren.
- hochauflösende Fotosequenzen machen und das Material stacken.
- Fertigstellen einer Teleskop-Transportbox und wieder mehr mit der Straßenastronomie-Crew rausgehen.
- Das Dobson auf den Orion-Nebel richten.
Vielen Dank @Klaus @Bill @Avinash für die vielen hilfreichen und kostbaren Tipps, für die spannenden Abende der Planetenbeobachtung ❤️
Ebenso Dank an Klaus für das ausgeliehene portable Straßenteleskop, das ich auf meinen Fahrrad transportieren kann . Und an Jörg für die Zeit in der BHB-Sternwarte und den nützlichen und guten Vortrag. ❤️
Ebenso Dank an die ganze Street Astronomie Crew und Interessierte für die coole Zeit. ❤️
Und Dank an Aleš für das nützliche Buch »Astro-Fotografie« ❤️
Nützliche Links
- lightpollutionmap.info
- planetarium.berlin/archenhold-sternwarte
- planetarium.berlin/zeiss-grossplanetarium
- bhb-sternwarte.de
- astroshop.de
- Stellarium App: stellarium-labs.com/stellarium-mobile-plus
- streetastronomy.com
- AstroDMx Capturing Software (MacOS, Linux, Windows)
- Straßenastronomie @Mastodon
- Straßenastronomie @Instagram